15.05.2023

Krankschreibung nach Kündigung nicht immer verdächtig

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Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen (Urt. v. 08.03.2023, Az.: 8 Sa 859/22): Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird noch nicht dadurch erschüttert, dass sich eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer am Tag einer Kündigung krankmeldet oder am Tag nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses eine neue Stelle antritt.

Der klagende Arbeitnehmer hatte bei einer Zeitarbeitsfirma gearbeitet, war einige Wochen nicht eingesetzt worden und hatte sich dann krankgemeldet. Einen Tag später ging ihm die Kündigung zu. In der Folge legte der Arbeitnehmer weitere Bescheinigungen für den Lauf der Kündigungsfrist vor. Der Arbeitgeber verweigerte die Lohnfortzahlung. Das LAG gab dem Kläger recht. Einer ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung komme ein hoher Beweiswert zu. Dieser könne erschüttert sein, wenn ein Arbeitnehmer am Tag der eigenen Kündigung genau für den Lauf der Kündigungsfrist krankgeschrieben werde. Die Krankschreibung des Arbeitnehmers hier sei der Kündigung aber zeitlich vorausgegangen. Der Arbeitnehmer könne also nicht durch die Kündigung zur Krankmeldung motiviert worden sein. Zudem sei keine Bescheinigung exakt bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses ausgestellt worden. Die Aufnahme einer neuen Tätigkeit am Tag nach Ende der Kündigungsfrist reiche für eine Erschütterung des Beweiswertes ebenfalls (noch) nicht aus. Das LAG hat die Revision zugelassen. Es sei noch nicht genau geklärt, unter welchen Umständen konkret der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert werde. Womöglich spiele es doch eine Rolle, dass der Arbeitnehmer passend zu Beginn der neuen Tätigkeit offenbar wieder genesen war. Es bleibe daher abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung entsprechend schärfe, so das LAG.

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