26.09.2022

Keine Verjährung von Urlaub ohne Hinweis des Arbeitgebers

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat jüngst entschieden, dass Urlaubsansprüche nur verjähren, wenn Arbeitnehmende über ihren Urlaubsanspruch unterrichtet wurden (EuGH, Urt. v. 22.09.2022, Az. C-120/21). Demnach muss der Arbeitgeber die Arbeitnehmenden auf den möglichen Verfall von Urlaub hinweisen.

Dem lag folgender Fall zugrunde: Eine Arbeitnehmerin verlangte vom ehemaligen Arbeitgeber die Abgeltung von Urlaubstagen aus dem Jahr 2017 sowie aus den Vorjahren, da sie diese aufgrund ihres großen Arbeitsvolumens nicht nehmen konnte. Der Arbeitgeber unterließ es jedoch, die Arbeitnehmerin aufzufordern, den Urlaub zu nehmen, noch hat er die Arbeitnehmerin darauf hingewiesen, dass der nicht beantragte Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres bzw. Übertragungszeitraums verfallen könnte. Als die Arbeitnehmerin die Urlaubsabgeltung forderte, berief sich das Unternehmen auf die Verjährung dieser Ansprüche aufgrund der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren (§ 195 BGB). Die Frist sei bereits vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelaufen. Während das Arbeitsgericht in erster Instanz die Klage der Arbeitnehmerin noch abwies, gab das Landesarbeitsgericht Düsseldorf der Klägerin Recht. Auf die Revision des Arbeitgebers hin, legte das BAG dem EuGH die Sache zur Vorabentscheidung vor. Der EuGH sollte klären, ob es mit Unionsrecht vereinbar sei, dass der Urlaub, der mangels Mitwirkung des Arbeitgebers nicht nach dem Bundesurlaubsgesetz verfallen konnte, den Verjährungsregelungen des BGB unterliege. Der EuGH entschied nun, dass ohne Mitwirkung des Arbeitgebers keine Urlaubsverjährung eintritt. Zwar könne der Urlaub grundsätzlich einer dreijährigen Verjährungsfrist unterliegen, Arbeitnehmende müssen aber zuvor in die Lage versetzt worden sein, den Urlaubsanspruch auch wahrzunehmen.

Doch damit nicht genug! In einem weiteren Fall stärkte der EuGH die Arbeitnehmerrechte hinsichtlich des Urlaubverfalls bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit. Zwar könne der Urlaub 15 Monate nach ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit nach dem Ende des Urlaubsjahres verfallen, jedoch gilt dies nicht in jedem Fall. Wenn Arbeitnehmende erst im Verlauf des Urlaubsjahres ununterbrochen arbeitsunfähig geworden sind und bis dahin zumindest einen Teil ihres Urlaubs hätten nehmen können, der Arbeitgeber ihnen jedoch nicht zuvor über die noch verbliebenen Urlaubstage unterrichtet hat, kommt ein Urlaubsverfall für das Jahr nicht in Betracht. Es bleibt abzuwarten, wie sich die fragwürdige Auffassung des EuGH auf die Praxis auswirkt und ob nun eine Klagewelle auf Urlaubsabgeltung auf nationaler Ebene droht.

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