16.11.2021

"Wir können in Deutschland stolz auf unsere Familienunternehmen sein"

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Im Interview mit AGA-Magazin 2022 spricht Sarna Röser, Bundesvorsitzende des Verbands DIE JUNGEN UNTERNEHMER, über ihr Selbstverständnis als Unternehmerin, die zunehmende Entfremdung zwischen Politik und Wirtschaft und das Erfolgsmodell Soziale Marktwirtschaft.

Sie sind Nachfolgerin eines fast 100-jährigen Familienunternehmens in der Tiefbaubranche, zudem selbst Gründerin von Start-ups. Was bedeutet es für Sie, Unternehmerin zu sein?

Sarna Röser: Unternehmertum heißt für mich, mutig die eigenen Ideen und Visionen in die Tat umzusetzen, Entscheidungen zu treffen und keine Angst davor zu haben, seine Meinung zu äußern. Aber auch Verantwortung zu übernehmen – für die Unternehmen, für die Mitarbeiter, für die Region in denen viele Familienunternehmen oft seit vielen Generationen verankert sind. Wir gehen mit unserem eigenem Kapital ins Risiko, um Menschen für unsere Idee zu begeistern und Arbeitsplätze und damit Wohlstand zu schaffen. Das heißt auch, heute die Verantwortung für die Entscheidungen von morgen zu übernehmen und sich auch politisch einzubringen.

Sie stehen für die Next Generation. Was zeichnet Ihre Unternehmergeneration aus?

Röser: Die nächste Generation der Familienunternehmer steht vor gewaltigen Herausforderungen. Sie wird die Corona-Scherben wieder aufsammeln, den klima- und wohlstandsgerechten Umbau der Wirtschaft stemmen und die digitale Transformation bewältigen müssen. Als Nachfolgerinnen und Nachfolger blicken wir trotz aller Herausforderungen optimistisch in die Zukunft. Denn wir sind jung, mutig und entschlossen. Bei den Unternehmensgründungen sehen wir, dass sie einfacher umzusetzen sind als noch vor einigen Jahren. Man braucht dafür nicht mehr unbedingt viel Geld. Oft reichen ein Laptop, eine Internetverbindung und eine brillante Idee, um die eigenen Visionen und Träume in die Tat umzusetzen. Jedoch legt unser Staat den jungen Gründerinnen und Gründern nach wie vor viel zu viele Steine in den Weg. Wann bekommen wir endlich eine digitale Verwaltung, die es möglich macht, innerhalb weniger Minuten ein Unternehmen zu gründen? Wann bekommen wir endlich ein Arbeitsrecht 4.0, das uns ermöglicht, zeitflexibel zu arbeiten? Wann fangen wir an, das Unternehmertum und den Mut von Gründern endlich zu feiern? Auch hier brauchen wir einen Mindset-Change. Es gibt noch viel zu tun!

#zusammengross lautet das Jahresthema unseres Magazins. Welches Potenzial liegt in der Zusammenarbeit von klassischem Mittelstand und Start-ups?

Röser: Beide Seiten – der Mittelstand und Start-ups – können enorm von einer Zusammenarbeit profitieren. Der Mittelstand ist der Motor der deutschen Wirtschaft. Er schafft Arbeitsplätze, bildet junge Menschen aus und prägt durch Investitionen die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Start-ups können sich diese Stärke zu Nutze machen, zum Beispiel auf bestehende Vertriebswege zugreifen oder bestehende Netzwerke nutzen. Auf der anderen Seite profitieren Familienunternehmen von den neuen Ideen und Impulsen der Startupper.

Als Bundesvorsitzende der Jungen Unternehmer zeigen Sie klare Kante. Ist politisches Engagement für Unternehmer Kür oder Pflicht?

Röser: Für mich ist politisches Engagement Teil der Verantwortung, die wir tragen. Erwartungen an die Politik müssen klar kommuniziert werden! Denn politische Entscheidungen betreffen die Wirtschaft direkt und indirekt. Wer sich raushält, lässt anderen freie Hand, ihre Interessen durchzusetzen. Politische Instrumente, Gesetze, die Art der Auseinandersetzung, Netzwerke – alles ist im Fluss. Das ist eine Chance für uns Unternehmer, darauf Einfluss auszuüben – mit dem Ziel, heute die Bedingungen zu schaffen, damit auch in 20 Jahren junge Menschen noch Lust und die Chance aufs Unternehmertum haben.

Haben Sie den Eindruck, dass Politik und Unternehmer einander fremd geworden sind?

Röser: In meinen Gesprächen mit anderen Unternehmern fällt oft der Beisatz, dass Politiker ein besseres Verständnis von der Wirtschaft haben müssten. Die politischen Lebensläufe laufen aber meist nicht (mehr) über die Wirtschaft. Auch deshalb ist das Verständnis für die Herausforderungen der Unternehmer nicht mehr so ausgeprägt wie früher, aber die Verbandsarbeit und unser politisches Engagement umso wichtiger. Wir können in Deutschland stolz auf unsere Familienunternehmen ein, die auf langfristiges Wirtschaften setzen und der Hire and Fire Mentalität, wie wir sie oft in den USA sehen, bewusst eine klare Absage erteilen. Ich erwarte, dass die Politik dies nicht nur in Sonntagsreden zum Ausdruck bringt, sondern aktiv über ihre Gestaltungsmöglichkeiten in den Parlamenten unterstützt.

Was entgegnen Sie jemandem, der die Soziale Marktwirtschaft für überholt hält?

Röser: Die Soziale Marktwirtschaft ist seit knapp 75 Jahren ein Erfolgsmodell für unser Land. Das Wirtschaftswunder und der Aufstieg zu einem der wohlhabendsten Volkswirtschaften in Europa wären ohne dem Modell von Ludwig Erhard gar nicht denkbar gewesen. Die Soziale Marktwirtschaft verbindet die Leistungsfähigkeit der Marktwirtschaft mit sozialem Ausgleich. Im Zentrum steht das Versprechen ‚Wohlstand für alle‘: Jeder Bürger – der sich anstrengt – kann den individuellen Aufstieg schaffen. Außerdem ist das System nicht starr, sondern es kann sich sehr gut an neue Herausforderungen anpassen. Mit dieser Flexibilität sind wir auch weiterhin gut für die Zukunft gerüstet. Die Soziale Marktwirtschaft ist und bleibt unser Erfolgsrezept!

Das Leben ist kein Wunschkonzert. Visionen sind aber erlaubt. Welches Deutschland hat die Unternehmerin Sarna Röser für die Zukunft im Sinn?

Röser: Unser Land braucht jetzt dringend mutige Reformen, damit wir auch zukünftig wettbewerbsfähig bleiben und den anstehenden Strukturwandel gut bewältigen können. Wir als DIE JUNGEN UNTERNEHMER haben zur Bundestagswahl unser eigenes Wahlprogramm vorgelegt, in dem wir unsere Ideen für Deutschland skizzieren. Für uns ist klar: Ein Weiter so darf es nicht geben! Deutschland braucht jetzt einen mutigen #ReStart, u. a. mit Investitionen in die Digitalisierung, marktwirtschaftlichen Instrumenten beim Klimaschutz, einer generationengerechten Umstellung der Rente und eine schnellere öffentliche Verwaltung, um Innovationen und Investitionen auch möglich zu machen.

Fotos: DIE JUNGEN UNTERNEHMER / Anne Grossmann Fotografie