25.07.2016

Schadensersatzansprüche gegenüber Lkw-Herstellern

Nachrichten | Recht

Die Europäische Kommission hat am 19. Juli 2016 gegen die Lkw-Hersteller MAN, Volvo/Renault, Daimler, Iveco und DAF insgesamt ein Bußgeld in Höhe von knapp 2,9 Milliarden Euro wegen eines Kartellverstoßes verhängt. Nach den Feststellungen der Kommission haben die betreffenden Unternehmen von 1997 bis 2011 u. a. Listenpreise für mittlere (Gewicht zwischen 6 und 16 t) und schwere (Gewicht über 16 t) Lkw abgesprochen. Nach bisher unbestätigten Angaben sollen die Listenpreise, die Ausgangspunkt für die Bestimmung der jeweiligen Kaufpreise in der Branche sind, bis zu 20 Prozent über dem tatsächlichen Marktpreis gelegen haben.

Große Schäden für die Betriebe

Die Kunden der betroffenen Hersteller haben folglich über Jahre überhöhte, dem Markt und Wettbewerb nicht entsprechende Preise für den Kauf oder das Leasing von mittleren und schweren Lkw gezahlt. Die Differenz zwischen dem auf den überhöhten Listenpreisen basierenden Kaufpreis und dem tatsächlichen Marktpreis können die geschädigten Abnehmer für alle zwischen 1999 und 2011 gekauften oder geleasten Lkw als Schadensersatz gegenüber den Herstellern geltend machen. Für Käufe und Leasinggeschäfte zwischen 1997 und 1999 ist vorbehaltlich besonderer Umstände im Einzelfall von einer Verjährung auszugehen.

Erleichterte Durchsetzung von Schadensersatzforderungen

Die europäische und deutsche Gesetzgebung sowie die Rechtsprechung erleichtern geschädigten Kunden die Geltendmachung von Kartellschäden. Der Schadensersatzanspruch besteht völlig unabhängig von den verhängten Bußgeldern. Deshalb kann auch gegen MAN Schadensersatz gefordert werden, obwohl MAN als sogenanntem Kronzeugen das Bußgeld erlassen wurde. Ein geschädigtes Unternehmen kann die Kartellanten gemeinsam oder auch einzeln für den entstandenen Schaden in Anspruch nehmen, unabhängig davon, bei welchem Hersteller es ein oder mehrere Fahrzeuge gekauft hat. Hierbei vermutet die Rechtsprechung, dass den Abnehmern eines behördlich festgestellten Preiskartells immer ein finanzieller Schaden entsteht. Allerdings ist es die Aufgabe des Geschädigten, die exakte Höhe des Schadens konkret nachzuweisen. Sofern nicht mit Sicherheit belegt werden kann, wie hoch der tatsächliche Kartellaufschlag auf den Marktpreis gewesen ist, ist das Gericht aber frei, den entstandenen Schaden zu schätzen.

Besonderheit: keine Weitergabe der Lkw an Dritte

Eine Besonderheit des Falls ist, dass sich die Hersteller nicht darauf berufen können, dass der durch das Kartell entstandene Schaden von den Geschädigten an eigene Abnehmer „weitergegeben“ worden sei. Denn die gekauften und geleasten Lkw sind im Regelfall nicht weiterveräußert, sondern selbst genutzt worden. Dies erleichtert die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen für die Geschädigten beträchtlich.

Zügiges Handeln und Vorbereitung eines Prozesses

Möchte ein Unternehmen Schadensersatz von den Herstellern verlangen, so ist eine gewisse Eile für die Käufe und/oder Leasinggeschäfte in den Jahren 1999 bis 2002 geboten, weil je nach den Umständen die Verjährung ab dem 19. Januar 2017 droht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass kartellrechtliche Schadensersatzprozesse einer sorgfältigen Aufarbeitung des Sachverhalts bedürfen. Daher ist es ratsam, früh mit der Zusammenstellung der nötigen Unterlagen zu beginnen. Es empfiehlt sich, die einzelnen Kauf- oder Leasingverträge, die in den Jahren von 1997 bis 2011 mit den Herstellern getätigt worden sind, zusammenzustellen und eine entsprechende Tabelle mit den jeweiligen Daten zu Fahrgestell-Nr., Hersteller, Marke, Fahrzeugmodell, gezahltem Preis, Rabatten und damaligem Listenpreis anzufertigen. Daneben ist es erforderlich, einen Antrag auf Einsicht in gewisse Unterlagen der Kommission zu stellen. Auch dies kann einige Zeit in Anspruch nehmen.

Kosten- und risikominimierendes Vorgehen prüfen

Betriebe sollten im Vorfeld zudem in Erwägung ziehen, gemeinsam mit anderen Geschädigten gegen die Kartellanten vorzugehen. Hierdurch können die Kosten für das einzelne Unternehmen gesenkt werden, die gemeinsame Beauftragung beispielsweite eines Sachverständigengutachtens zu den ohne Kartellabsprache zu erwartenden Marktpreisen kann im Prozess von großem Nutzen sein. Daneben besteht die Option, einen Prozessfinanzierer einzuschalten. Dieser übernimmt gegen eine prozentuale Beteiligung am gerichtlich zugesprochenen Geldbetrag die anfallenden Anwalts- und Gerichtskosten. Dies kann insbesondere dann ratsam sein, wenn anderenfalls das Kostenrisiko zu hoch erscheint.

Zusammenfassend sind die Erfolgsaussichten für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen aufgrund des gesetzlichen Rahmens und der zu Verfügung stehenden Instrumentarien in diesem Fall grundsätzlich gut. Hinzu kommt, dass es den Kartellanten hier verwehrt sein wird, sich auf eine Weitergabe des Schadens zu berufen. Allein die Höhe des Schadensersatzes ist im Einzelnen zu ermitteln und notfalls durch das Gericht zu schätzen.

Aufgrund der Aktualität bietet die Kanzlei SKW Schwarz Rechtsanwälte, Mitglied im TeamMittelstand, einen kostenlosen, etwa 30-minütigen Kurzvortrag zu dieser Thematik am 4. August 2016 um 16:00 Uhr an. Die Veranstaltung finden in den Räumlichkeiten von SKW, Ferdinandstraße 3, 20095 Hamburg, statt. Interessierte melden sich bitte hierzu telefonisch unter 040 3340110 oder per E-Mail unter p.asbach@skwschwarz.de an.

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Volker Hepke
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